Fondation Cancer Luxemburg fördert Prostatakrebsforschung

Bild: Robert Schober


Die Luxemburger Krebshilfe "Fondation Cancer" unterstützt ein neues kollaboratives Forschungsprojekt von Doz. Frédéric Santer an der Universitätsklinik für Urologie in Innsbruck, sowie von Doz. Marcus Cronauer am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein:

http://www.cancer.lu/de/unterstuetzte-forschungsprojekte

http://www.cancer.lu/sites/cancer/files/files/Communique-presse_Recherche_Cronauer_Santer_ALL.pdf

Dieses Projekt erforscht den Biomarker ARV7, der beim fortgeschrittenen Prostatakrebs für Therapienentscheidungen nützlich sein könnte.

1. Einleitung

Die Prostata, auch Vorsteherdrüse genannt, ist eine Drüse welche für die Produktion eines Großteils der Samenflüssigkeit verantwortlich ist. Das Organ entwickelt sich unter dem Einfluss von männlichen Geschlechtshormonen, den Androgenen. Im adulten Zustand benötigt die Prostata zur Aufrechterhaltung ihrer Funktionen eine kontinuierliche Stimulation durch Androgene. Die wichtigsten Androgene sind das in den Hoden produzierte Testosteron, welches in der Prostata in eine biologisch aktivere Form, das Dihydrotestosteron (DHT), umgewandelt wird. Interessanterweise bleibt die starke Abhängigkeit gesunder Prostatazellen von Androgenen auch in Prostatakarzinomzellen (Prostatakrebszellen) weitgehend erhalten. Während im lokalen Tumorstadium kurative Behandlungsoptionen wie die komplette operative Entfernung der Prostata (radikale Prostatektomie) oder die Strahlentherapie im Vordergrund stehen, wird die Androgenabhängigkeit beim fortgeschrittenen Prostatakarzinom therapeutisch genutzt. Obwohl die Mehrzahl der Patienten anfänglich gut auf eine sog. primäre Hormontherapie anspricht, kommt es innerhalb weniger Jahre fast unweigerlich zur Tumorprogression mit der Bildung kastrationsresistenter Prostatakarzinomzellen. Diese, auch als CRPC (engl. castration resistant prostate cancer) bezeichnete Tumore welche zumeist mit Metastasen einhergehen, sind bisher unheilbar.

In den vergangenen Jahren hat sich die Therapie des CRPC maßgeblich verändert. Während sich lebensverlängernde Behandlungsoptionen für CRPC-Patienten nach Versagen einer primären Hormontherapie ursprünglich auf Taxan-basierte zytotoxische Chemotherapien  beschränkten, zeigten neu entwickelte (anti)hormonellen Therapien (Abirateron, Enzalutamid, Apalutamid), daß das frühe CRPC nicht vollständig resistent gegenüber hormonellen Manipulationen ist. Somit stehen zur Behandlung des CRPC mittlerweile, neben den Taxanen auch wieder endokrin (hormonell) wirkende Substanzen zur Verfügung. Leider sprechen nicht alle Patienten auf eine Chemotherapie mit Taxanen bzw. eine sekundäre Hormontherapie an. Des Weiteren ist keine der Substanzen dauerhaft in der Lage eine weitere Tumorprogression zu verhindern. Um ein optimales Ansprechen des CRPC und damit verbunden eine Verbesserung der Lebensqualität bzw. Überlebenszeit der Patienten zu erzielen, ist es wichtig, daß die verfügbaren Therapeutika individuell auf den jeweiligen Krankheitsverlauf eines Patienten abgestimmt werden können. Leider gibt es bisher keine Biomarker welche verläßlich vorhersagen können ob und wann ein Patient auf eine Chemotherapie bzw. Hormontherapie ansprechen wird. Erste Versuche deuten darauf hin daß AR-V7, ein Molekül aus der androgenen Signalkette, ein solcher Marker sein könnte.

Abbildung 1:  Darstellung Androgenrezeptor(AR)- bzw. AR-V7 vermittelter Signale in Prostatakarzinomzellen



2. Molekulare Grundlagen Androgenrezeptor-vermittelter Signale in Prostatakarzinom

Androgene vermitteln ihre Signale über den Androgenrezeptor (AR), einem komplexen Protein (Eiweißmolekül) welches durch die Bindung von Androgenen aktiviert wird. Jeweils zwei aktivierte Androgenrezeptoren verbinden sich im Zellkern zu einem sog. AR-Dimer [Abb. 1]. Im Zellkern bindet das AR-Dimer mit Hilfe verschiedener Cofaktoren an die DNS und reguliert die Expression bzw. Funktion zahlreicher für das Wachstum und Überleben notwendiger Gene [Abb. 1].

Beim fortgeschrittenen Prostatakarzinom wird die Abhängigkeit der Prostatakrebszellen von Androgenen bzw. dem Androgenrezeptor therapeutisch genutzt. Grundsätzlich lassen sich 2 Arten der endokrinen Therapie oder Hormontherapie unterscheiden: (1) Eine Inhibition der Androgensynthese (Androgenentzug) durch medikamentöse/chirurgische Kastration sowie (2) die Gabe von Anti-Androgenen, welche die Bindung von Androgenen an ihren Rezeptor verhindern [Abb. 2]. Leider kommt es im Laufe einer primären Hormontherapie fast unweigerlich zur Bildung kastrationsresistenter Tumorzellen welche auch unter stark verminderten Androgenkonzentrationen überleben und wachsen können. Das Versagen einer primären Hormontherapie ist überwiegend auf Veränderungen in der Empfindlichkeit des Androgen/Androgenrezeptor-Signalweges zurückzuführen. In diesem Stadium der Erkrankung kommen oftmals hormonell hochwirksame Substanzen der zweiten Generation wie Abirateron (hemmt die Androgensynthese in Tumoren/Nebennieren) oder Enzalutamid (Blockade der Androgenrezeptorfunktion) zum Einsatz. Obwohl beide Substanzen das Wachstum eines CRPC weitgehend unterdrücken können, führt eine Behandlung mit Abirateron und/oder Enzalutamid bei ca. 30-40% der CRPC-Patienten zur Bildung von AR-V7, einer verkürzten, permanent und androgenunabhängig aktivierten Variante des Androgenrezeptorproteins [Abb. 1; Abb. 2].

Bei AR-V7 handelt es sich um eine natürlich vorkommende, wenngleich überexprimierte Spleißvariante des Androgenrezeptors. Im Gegensatz zu Mutationen bei denen der genetische Bauplan eines Proteins infolge äußerer Einflüsse wie Strahlung oder Chemotherapie unumkehrbar verändert wird, stellt das alternative Spleißen einen natürlichen, reversiblen Vorgang dar. Laienhaft ausgedrückt versteht man unter alternativem Spleißen einen molekularen Vorgang, welcher eine Zelle befähigt aufgrund eines bestimmten genetischen Bauplans verschiedene, modifizierte Versionen eines Proteins zu synthetisieren. So unterscheidet sich AR-V7 vom normalen Androgenrezeptor durch das Fehlen einer Bindungsstelle für Androgene welche durch einen, aus 16 Aminosäuren bestehenden, Proteinbaustein (CE3) ersetzt wurde [Abb. 2]. Da AR-V7 eine  Androgenbindestelle fehlt, ist diese Form des Androgenrezeptors unempfindlich gegenüber allen bisherigen hormonellen Therapien welche direkt (Antiandrogene) bzw. indirekt (Androgensythesehemmer) auf eine Blockade des Androgen/Androgenrezeptor-Signalwegs abzielen.


                             

                                      Abbildung 2:     Primäre und sekundäre Hormontherapie des Prostatakarzinoms



3. AR-V7 als Markerprotein für Therapieentscheidungen

Die Zulassung von Medikamenten wie Abirateron, Enzalutamid oder auch Taxanen haben das Überleben von CRPC-Patienten deutlich verbessert. Leider ist eine primäre Resistenz oder schnelle Resistenzentwicklung unter der Medikation mit den oben genannten Substanzen  die Regel. Aus diesem Grund besteht ein hohes klinisches Interesse an der Identifikation prädiktiver Biomarker welche vorhersagen ob und zu welchem Zeitpunkt ein Patient auf eine Chemotherapie bzw. Hormontherapie ansprechen wird [Abb. 3].

Die Expression des androgenunabhängigen, konstitutiv (dauerhaft) aktiven AR-V7-Proteins führt unter experimentellen Bedingungen in CRPC-Zellen zu Resistenzbildung gegenüber allen derzeitig bekannten Hormontherapien. Erste klinische Studien bestätigten diese experimentellen Daten und deuten darauf hin, daß AR-V7-positive Tumore für eine Chemotherapie mit Taxanen geradezu prädestiniert sind. Des Weiteren konnte gezeigt werden, daß in einigen Tumoren Taxane in der Lage sind, AR-V7 herunter zu regulieren. Diese Taxan-vorbehandelten Tumore sprechen in weiterer Folge wieder auf eine Hormontherapie an. Die vorliegenden klinischen Daten legen die Vermutung nahe, daß AR-V7 bei der Auswahl bestimmter Therapien bzw. Therapiesequenzen ein wertvoller prädiktiver Marker sein könnte [Abb. 3].

Trotz initialer Euphorie konnte der potenzielle prädiktive Biomarker AR-V7 (noch) nicht die in ihn gesetzten Erwartungen erfüllen. Zumindest in der Erstlinientherapie des metastasierten CRPC scheint, trotz AR-V7-Positivität, ein Ansprechen auf antihormonelle Wirkstoffe in einigen Tumoren immer noch möglich. Die Gründe hierfür sind bisher weitgehend ungeklärt. So werden unterschiedliche Nachweisverfahren (mRNA, Protein) bzw. Zielstrukturen (Gewebebiopsien, zirkulierenden Tumorzellen, Serum) in denen die AR-V7 Expression nachgewiesen wurde als mögliche Fehlerquellen diskutiert.

Eine weitere mögliche Fehlerquelle bei der Verwendung von AR-V7 als Marker wurde in den Arbeitsgruppen von PD Dr. Cronauer (Universitätsklinikum Schleswig Holstein, Campus Lübeck) und PD Dr. Santer (Medizinische Universität Innsbruck) entdeckt. In Gegensatz zum normalen Androgenrezeptor ist die Androgenbindestelle des Rezeptors bei AR-V7 durch das CE3-Peptid ersetzt [Abb. 2]. Wie von beiden Arbeitsgruppen nachgewiesen, weist das CE3-Peptid eine genetisch bedingte Variabilität auf. Die vererbbaren genetischen Varianten innerhalb des für AR-V7 typischen Bereichs werden auch als SNPs (engl. Single Nucleotide Polymorphisms) bezeichnet. Erste experimentelle Daten deuten darauf hin, daß diese SNPs mehr als nur bedeutungslose Varianten des AR-V7 Proteins darstellen. Hier setzt das von der Fondation Cancer geförderte Projekt an.


                                               

                                              Abbildung 3     Einsatz von AR-V7 als prognostischer Marker



4. Nutzen für den Patienten

Wie aus Computersimulationen und molekularbiologischen Analysen ersichtlich hat das CE3-Peptid [Abb. 2] einen entscheidenden Einfluss auf Funktion und Stabilität des AR-V7 Proteins. Im Rahmen des von der Fondation Cancer geförderten Projektes sollen AR-V7 Proteine welche sich in ihrem CE3 unterscheiden, im Hinblick auf Ihre Funktion und ihren Wert als Biomarker charakterisiert werden. Ein neues Testsystem zum Nachweis von AR-V7 Varianten befindet sich derzeitig in Vorbereitung. Die zu erwartenden Resultate des Vorhabens sollten  Auskunft darüber geben, ob und in wie fern  AR-V7 bzw. seine Varianten als Markerproteine für Therapieentscheidungen nutzbar gemacht werden können.



Referenzen

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Thelen P, Taubert H, Duensing S, Kristiansen G, Merseburger AS, Cronauer MV. Bedeutung der Androgenrezeptor-Spleißvariante AR-V7 für Prognose und Therapie des fortgeschrittenen Prostatakarzinoms. Aktuel Urol DOI: 10.1055/s-0043-115426


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